Finfluencer unter Aufsicht: Warum Regulierung den Trend prägen wird

Alexander Kube, Client Services Director (DACH & Nordics) bei Awin

Wenn Millionen junger Menschen ihre Finanzentscheidungen zunehmend auf TikTok und Instagram vorbereiten, bleibt das nicht ohne Folgen für Banken und Aufsichtsbehörden. Was früher das Terrain klassischer Vermögensberater, Bankfilialen und Versicherungsvertreter war, hat sich in rasantem Tempo in die digitale Welt verlagert. Finanzwissen entsteht heute dort, wo eine junge Generation ohnehin ihre Zeit verbringt – in sozialen Netzwerken. Doch mit der Reichweite wächst die Verantwortung. Die entscheidende Frage lautet: Wird Social Media zum Risiko oder zum Innovationsmotor?

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14.10.2025

Aufsichtsbehörden schlagen Alarm

Alexander Kube ist seit elf Jahren bei Awin und seit März 2025 als Client Services Director (DACH & Nordics) bei Awin tätig. Bis 2010 studierte er Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München. Bereits während seines Studiums arbeitete er bei bigmouthmedia im Bereich Affiliate Marketing. Bevor er 2014 zu Awin kam, sammelte er als Affiliate Teamleiter bei der Agentur iCrossing einschlägige Erfahrungen. - Quelle: AWIN

Finanzfragen galten lange als Domäne der Experten in Anzug und Nadelstreifen. Doch die Zeiten, in denen Anleger in der Filiale Belehrungen im Fachjargon entgegennahmen, sind vorbei. Heute erklären Creator in 60-Sekunden-Videos, wie ETFs funktionieren, wie man Kryptowährungen kauft oder warum Altersvorsorge nicht langweilig sein muss. Es ist diese Nahbarkeit und Verständlichkeit, die den Nerv einer Generation trifft, die klassische Finanzinstitutionen oft als kompliziert und distanziert erlebt.

Genau darin liegt jedoch die Herausforderung. Denn dort, wo Millionen Nutzer Anlageideen aufnehmen, geraten klassische Regulierungsinstrumente an ihre Grenzen. Die britische Finanzaufsicht FCA ließ 2023 mehr als 650 Inhalte wegen illegaler Beratung löschen und schaltete zusätzlich 50 Webseiten ohne Lizenz ab. Ein Signal: Hier geht es nicht nur um Kommunikation, sondern um potenziell strafbare Finanzberatung.

Auch die DACH-Region reagiert. Die BaFin in Deutschland, die FMA in Österreich und die FINMA in der Schweiz haben die Szene längst im Blick. Der Kernpunkt: Wer konkrete Empfehlungen zu Wertpapieren oder Versicherungen ausspricht, bewegt sich schnell im Bereich der Anlageberatung – und dafür ist eine Lizenz zwingend erforderlich. Fehlende Zulassung kann gravierende Folgen haben, von Abmahnungen über Bußgelder bis hin zu Strafverfahren.

Ein Blick über Europa hinaus zeigt: In den USA und Asien wird die Regulierung von Finfluencern ebenfalls zunehmend diskutiert. Während die SEC in den Vereinigten Staaten mit spektakulären Verfahren gegen Prominente wie Kim Kardashian Schlagzeilen machte, greifen Aufseher in Singapur oder Hongkong vor allem präventiv ein und setzen auf Schulungsprogramme für Influencer. Das unterstreicht, dass es sich nicht um eine regionale Debatte handelt, sondern um ein globales Phänomen.

Zahlen, die den Trend untermauern

Dass es sich um weit mehr als ein Nischenthema handelt, belegen die Daten. TikTok verzeichnete 2024 allein beim Hashtag #FinTok ein Wachstum der Videoaufrufe von 275 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Studien zufolge folgen inzwischen fast 60 Prozent der 18- bis 30-Jährigen mindestens einem Finfluencer. Und Vertrauen ist vorhanden: Eine Umfrage der BaFin ergab im Mai 2024, dass über die Hälfte der 18- bis 45-Jährigen soziale Medien als glaubwürdige Quelle einstufen. Rund 60 Prozent sehen sie sogar als echte Alternative zur klassischen Beratung.

Auch im Anlageverhalten zeigen sich deutliche Unterschiede. Wer sich über Social Media informiert, streut seine Investments breiter und setzt nicht nur auf Aktien oder Fonds, sondern auch auf Kryptowährungen, ETFs oder neue Finanzprodukte. Besonders Micro- und Nano-Influencer prägen diesen Trend. Ihre Stärke liegt in der Authentizität: keine komplizierten Fachbegriffe, sondern alltagsnahe Sprache, direkte Ansprache und persönliche Erfahrungsberichte. So sinkt die Hemmschwelle, sich überhaupt mit Geldfragen zu befassen – ein Aspekt, den klassische Banken und Versicherer lange vernachlässigt haben.

Chancen für Finanzunternehmen

Für Finanzunternehmen ergibt sich daraus eine paradoxe Situation: Einerseits wächst der Druck durch mögliche Rechtsrisiken, andererseits entstehen enorme Chancen. Denn dort, wo Verbraucher heute nach Informationen suchen, können Banken, Fintechs und Versicherungen ebenfalls präsent sein – wenn sie die Spielregeln einhalten.

Wer Social Media im Finanzbereich professionell nutzen will, braucht drei Dinge:

  1. Transparenz. Inhalte müssen klar als Werbung oder Information gekennzeichnet sein.
  2. Compliance. Ohne Einbindung von Rechts- und Compliance-Abteilungen drohen schnell Haftungsrisiken.
  3. Partnerwahl. Unternehmen sollten Creator auswählen, die die Sprache ihrer Community beherrschen und zugleich ein Bewusstsein für regulatorische Vorgaben haben.

Reine Reichweite darf dabei nicht das alleinige Kriterium sein. Wer Finfluencer-Marketing erfolgreich betreiben will, muss auf Qualität setzen. Vertrauen entsteht nicht durch Klickzahlen, sondern durch Seriosität und Relevanz. Genau hier liegt für Finanzunternehmen eine große Chance: Wer transparente Kooperationen eingeht, sichert nicht nur Reichweite, sondern kann Glaubwürdigkeit und Reputation aufbauen – ein Kapital, das in der Finanzbranche unschätzbar ist.

Ein Beispiel liefert die britische Neobank Monzo, die bereits vor einigen Jahren aktiv mit Micro-Influencern kooperierte, um Finanzbildung in einfache Sprache zu übersetzen. Solche Ansätze zeigen, dass Social Media nicht zwingend ein Risiko sein muss, sondern neue Wege eröffnet, Zielgruppen zu erreichen, die Banken sonst kaum noch erreichen.

Regulierung als Innovationsrahmen

Der Finfluencer-Boom verweist auf eine tiefere Verschiebung: Finanzwissen wandert auf digitale Plattformen, wo junge Menschen ohnehin ihre Zeit verbringen. Damit wächst die Verantwortung, diese Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken.

Statt Regulierung als Hemmschuh zu betrachten, sollten Unternehmen und Creator sie als Leitplanke verstehen. Klare Regeln schaffen Rechtssicherheit, stärken Vertrauen und machen den Markt für seriöse Akteure attraktiver. In einer Branche, in der Glaubwürdigkeit entscheidend ist, kann dies zum Wettbewerbsvorteil werden.

Für die DACH-Region bedeutet das: Wer frühzeitig in Compliance investiert, transparente Prozesse etabliert und auf vertrauenswürdige Kooperationen setzt, kann von der Dynamik profitieren. Auch staatliche Akteure sind gefragt: Finanzbildungskampagnen, die den Dialog mit Influencern suchen, können einen wichtigen Beitrag leisten, um Verbraucher zu schützen und zugleich den Innovationsgeist zu fördern.

Regeln als Wegbereiter

Die entscheidende Frage lautet nicht, ob Finfluencer bleiben, denn das ist längst entschieden. Vielmehr geht es darum, wie ihre Rolle in einem regulierten Umfeld aussieht. Banken und Versicherer, die diesen Wandel ernst nehmen, haben die Chance, Finanzbildung zu fördern, neue Zielgruppen zu erschließen und ihre eigene Glaubwürdigkeit zu stärken.

Die BaFin, FMA und FINMA senden schon heute deutliche Signale: Es braucht feste Leitplanken. Wenn diese beachtet werden, entsteht aus dem Spannungsfeld von Vertrauen, Reichweite und Regulierung kein Risiko, sondern ein Innovationsmotor.

Denn am Ende entscheidet nicht die Plattform, sondern die Glaubwürdigkeit. Und Glaubwürdigkeit ist in Finanzfragen für Influencer, für Unternehmen und für die Gesellschaft insgesamt das wertvollste Kapital.

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